E-Rechnung, Digitalisierung von Schulen, Onlinezugangsgesetz und Servicekonten sowie viele weitere Themen standen auf der Agenda des 4. Mitteldeutschen IT-Fachtags in Leipzig, zu dem sich rund 190 Führungskräfte und IT-Entscheider aus den östlichen Bundesländern trafen.

CIO von Sachsen eröffnete Veranstaltung

Thomas Popp, CIO des Freistaates Sachen, eröffnete den Fachtag via Skype aus Dresden.

„Wir haben schon vieles erreicht, aber noch liegt ein langer Weg vor uns, wenn wir die Digitalisierung der Verwaltungen in den Kommunen Wirklichkeit werden lassen wollen“, mit diesen Worten eröffnete Thomas Popp, CIO des Freistaates Sachsen, den 4. Mitteldeutschen IT-Fachtag in Leipzig. Dass viele Kommunen sich zielstrebig auf diesen Weg begeben, zeigte die im Vergleich zu den Vorjahren erneut gestiegene Besucherzahl. Gut 190 Landräte, Bürgermeister und IT-Verantwortliche aus Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern waren gekommen, um sich über aktuelle Themen der Verwaltungsdigitalisierung auszutauschen.

Warnte davor, einen Strömungsabriss in der Bevölkerung, unter den Kommunen und unter den Verwaltungsmitarbeitern zuzulassen: Alexander Handschuh, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

Die Keynote hielt Alexander Handschuh, Pressesprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB). Er verdeutlichte eine Diskrepanz, die hinsichtlich der Digitalisierung in deutschen Kommunen besteht. Zwar sähen neun von zehn Verwaltungen große beziehungsweise sehr große Chancen in der Digitalisierung, gleichzeitig habe aber die gleiche Zahl der Verwaltungen bis heute keine Strategie dafür. Herausforderungen sieht er vor allem in der hohen Veränderungsgeschwindigkeit, in dem erforderlichen Kulturwandel und in der personellen Untersetzung der digitalen Transformation. Er warnte vor einer Art „Strömungsabriss“, wenn es nicht gelänge, alle Verwaltungsmitarbeiter gleichermaßen mitzunehmen.

Digitalisierung von Schulen: Es fehlt an den Voraussetzungen

Mirko Schiller auf dem ITF18.
Mirko Schiller ist nicht nur passionierter Informatiklehrer, sondern auch Befürworter des digitalen Klassenzimmers.

Eines der großen Themen des IT-Fachtages war die Digitalisierung in Schulen. Mirko Schiller, Informatiklehrer am Gymnasium Markneukirchen und Befürworter des digitalen Klassenzimmers, zeigte auf, welche Möglichkeiten interaktive Tafeln und Tablets im Schulalltag bieten. Realistisch aber weiß er: Nur wenige Schulen können die technischen Voraussetzungen für digitales Lernen erfüllen. Auch personell seien die Schulen nicht auf digitales Lernen eingestellt. Es fehle etwa an Weiterbildungsmöglichkeiten für die Lehrkräfte. Er fragte provokant: “Der Bund gibt Milliarden für Laptops und Tablets. Aber hat mal jemand gefragt, ob die Schüler überhaupt Lust haben, ihren Lehrern zu erklären, wie man die bedient?”

Thomas Dahnke von der Landesschule Pforta zeigt wie digitaler Unterricht aussehen kann.

Kritisch beleuchtet wurden auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, mögliche gesundheitlichen Auswirkungen sowie finanziellen Aspekte. Schwierigkeiten sieht Mirko Schiller hier weniger in den Anschaffungskosten und ist sich mit Thomas Dahnke, Landesschule Pforta, einig. Die Kosten seien in Summe mit den jährlich anzuschaffenden Schulbüchern etwa deckungsgleich. Dahnke setzt die Anschaffungskosten eher ins Verhältnis zu den Kosten, für die Eltern schon heute herangezogen werden, und sieht auch hier keinen Unterschied. Kostenintensiv gestalten sich laut Schiller hingegen die erforderliche Wartung und Aktualisierung der Infrastrukturen. Diskutiert wurden auch Beschaffungsmodelle von der zentralen Beschaffung bis zu BYOD.

Rege Diskussion zur Digitalisierung der Schulen

Gerd Kruse, Stadt Nordhausen, forderte eine konzeptionelle Untersetzung, bevor digitalisiert wird. Wie ein solches Konzept aussehen kann, erläuterte Frank Uhlig vom Zweckverband KISA. In einem Pilotprojekt erarbeitet KISA gemeinsam mit Pilotschulen, dem Medienpädagogischen Zentrum Leipzig, dem Sächsischen Kultusministerium, dem Landesamt für Schule und Bildung, dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag sowie dem Sächsischen Landkreistag ein nachhaltiges Gesamtkonzept.

Die „E“-Vorhaben eAkte, eRechnung und eArchiv

Ein weiterer Themenschwerpunkt waren die Vorhaben mit dem „E“: eAkte, eRechnung und eArchiv. Thomas Schüppel berichtete von den Erfahrungen bei der Einführung der eAkte in der sächsischen Stadt Plauen. Zur eAkte gehöre mehr als Technik, Software und Schnittstellen, betonte er. Die Erfolgsfaktoren lägen vor allem auch im Organisatorischen: Vorleben durch die Führungsebene, Formulierung eines Aktenplans, Überarbeitung organisatorischer Regelungen, ein realistischer Zeitplan.

Realität ist die eAkte bereits in der Landeshauptstadt Erfurt. Die Stadtverwaltung ging noch einen Schritt weiter und etablierte aufbauend eine dynamische Umlaufmappe. Tarek Unger präsentierte das Erfurter Modell, dass auf einem einfachen Workflow basiert, dank einheitlicher Oberflächen sehr nutzerfreundlich ist und die zentralen Arbeitsaufwände deutlich verringert hat. Aus den Erfurter Erfahrungen heraus empfiehlt er anderen Kommunen, eine Gesamtstrategie zu formulieren, in die sich Einzelprojekte einfügen müssen und zu hohen Individualisierungsanforderungen mit einem konsequenten Nein zu begegnen.

Prof. Dr. Michael Breidung vom Eigenbetrieb IT-Dienstleistungen in Dresden stellt das eArchiv der sächsischen Landeshauptstadt vor.

Prof. Dr. Michael Breidung, Leiter EIBT Dresden, präsentierte das eArchiv der sächsischen Landeshauptstadt Dresden. Herausforderungen für die städtischen Archive, deren primäre Aufgabe in der Sicherung, Bewahrung, Erhaltung, Nutzbarmachung und Auswertung der schriftlichen Überlieferung der Vergangenheit und Gegenwart für die Zukunft liegt, ist die wachsende Zahl elektronisch vorliegender Dokumente. Kommunen müssen nun Voraussetzungen dafür schaffen, auch diese „Zeitzeugnisse“ rechtskonform, revisions- und zukunftssicher abzulegen. Zum Herbst 2018 hat Dresden das Projekt eStadtarchiv hinsichtlich der Prozessdefinition und der technischen Abbildung abgeschlossen und ist damit auf kommunaler Ebene Vorreiter im Freistaat. Die Aufgabe liegt nun im Befüllen des Systems.

Dem Thema E-Rechnung widmete sich ein ganzer Workshop. Hier informierten der Ilmkreis/Thüringen sowie die Kommunen Leipzig und Aken über ihre Erfahrungen beim Einsatz von E-Rechnungen in der Verwaltungsarbeit. Während in den Kommunen das elektronische Rechnungsformat in unterschiedlichen Ausbaustufen bereits Realität ist, ist die Umsetzung im Ilmkreis für das kommende Jahr vorgesehen. Diskutiert wurden neben den rechtlichen und organisatorisch-prozessualen Rahmenbedingungen auch das Rechnungsformat und die Übertragungswege.

Agilität in der Verwaltung

Thomas Weber, Direktor der Sächsischen Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung, informierte über das sächsische Vorgehen bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes.

Agile Arbeitsmethoden spielen zunehmend auch in der öffentlichen Verwaltung eine Rolle. Entsprechend groß war das Interesse an einem Vortrag zur agilen Projektentwicklung von Agile Coach Rolf Irion. Auch der Freistaat Sachsen agiert bei der Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes (OZG) agil, wie Thomas Weber, Direktor der Sächsischen Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung (SAKD), erläuterte. Mit einem überlegten Mix aus analogen und digitalen Elementen gehen die Sachsen gemeinsam mit dem kommunalen Zweckverband KISA vor: in kleinen Schritten, die schnelle Ergebnisse bringen, und eine zügige Anpassung oder Korrektur des Vorgehens bezogen auf das klar definierte Gesamtziel zulassen.

Bereits eine Komponente der Vorgaben aus dem OZG setzt Berlin mit seinem Service-Konto um. Dirk Meyer-Claassen aus der Senatsverwaltung stellte das Projekt vor, dass seit mittlerweile sieben Monaten produktiv ist. Drei Fachdienste sind bereits angebunden und können von den gut 21.000 registrierten Bürgern genutzt werden. Von einer Erfolgsgeschichte des allgemeinen Themas „Servicekonto“ möchte Meyer-Claassen aber nicht sprechen. Zu viele Anforderungen, etwa des einheitlichen Zugangs auch für Wirtschaftsunternehmen, scheitern an vorhandenen rechtlichen Rahmenbedingungen; zu stark unterscheiden sich die Vorgehen von Bund und Ländern. Seine Einschätzung: „Wenn kein gemeinsames Vorgehen zu Servicekonten zwischen Bund und Ländern möglich wird, ist dies gescheitert, bevor flächendeckend im Einsatz.“

Kleine Projekte für mehr Bürgernähe

Dirk Neubauer, Bürgermeister der Stadt Augustusburg, beim ITF18
Dirk Neubauer, Bürgermeister der Stadt Augustusburg, schafft in seiner Stadt mit sympathischen digitalen Projekten mehr Bürgernähe.

„Digitalisierung ist wie die böse Schwiegermutter. Alle reden drüber und sind dann froh, wenn sie nicht kommt.“ In einem launigen Vortrag zeigte Dirk Neubauer, Bürgermeister der Stadt Augustusburg, wie Bürgernähe mit kleinen digitalen Mitteln geht. Ihm ging es nicht um die Digitalisierung der Verwaltung, ihm ging es um die Bürger an sich. In vielen kleinen Projekten ist es ihm gelungen, die Distanz zwischen Bürgern und Verwaltung aufzuheben und „seine“ Stadt dabei ganz neu kennenzulernen. Beispielsweise in dem Vorhaben „Kleinstadtmenschen.de“, in dem Einwohner Augustusburgs die Stadt mit ihren ganz eigenen Geschichten vorstellen oder dem Portal meinaugustusburg.de, über welches Bürger ihre Ideen und Projekte einbringen können. Er prägte auch den wunderbaren Satz „Digitalisierung ist keine Revolution. Die kann man aufhalten. Sie ist eher eine Evolution. Man kann sie eben nicht mehr aufhalten.“

Workshops für intensivere Diskussion

Sven Hantscher, Leiter Zentrale Dienste der Stadt Weißenfels, Simone Seidel, Koordinatorin Personalentwicklung der Stadt Chemnitz, und Jörg Röglin, Oberbürgermeister der Stadt Wurzen, (v.l.) diskutierten mit dem Publikum über Personalstrategien in Verwaltungen in den kommenden Jahren.

Auf Anregung aus dem Publikum griff der IT-Fachtag mit vier Veranstaltungen erstmals das Workshop-Format auf. Diskutiert wurde unter anderem zum Thema „Personal → Strategie → IT
Entwicklung der nächsten 10 Jahre: Haben der zu erwartende Personalbestand, Strategien und Digitalisierung etwa doch miteinander zu tun?“ In einem anderen Workshop stand die heutige Rolle der IT im Mittelpunkt. Ist es sinnvoll, die IT weiter selbst zu betreiben oder ist Outsourcing eine Option?

In weiteren Vorträge stellten die Landeshauptstadt Potsdam MaerkerPlus, ihr Lösungsmodul für die Onlinekommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung, die Stadt Gera ihre Freifunklösung und die Stadt Kaiserslautern ihr Analyse- und Recherche-Tool für belast- und auswertbare Zahlen KLAR vor.

Praxis statt Theorie

„Die Kommunen brauchen keine graue Theorie. Sie brauchen praktische Lösungen, die sie auf den eigenen Verwaltungsalltag zielführend anwenden können“, sagt Lars Greifzu, Leiter Networking und Strategische Entwicklung bei der Lecos GmbH und Organisator des IT-Fachtages. „Es ist wenig sinnvoll, wenn jede Kommune mit hohem Aufwand ‚das Rad neu erfindet‘. Digitalisierung erfordert auf interkommunaler Ebene gemeinsames Handeln und die Möglichkeit, auf Augenhöhe voneinander zu lernen. Eine Plattform dafür möchten wir mit dem Mitteldeutschen IT-Fachtag bieten.“

Allen Referenten und den Moderatoren des IT-Fachtages möchten wir herzlich danken, dass sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit uns und den zahlreichen Vertretern der Kommunen geteilt haben. Wir freuen uns auf ein Neues im kommenden Jahr. Das Datum steht schon fest:

Der nächste Mitteldeutsche IT-Fachtag findet am 28. November 2019 statt!

Vorträge zum Nachlesen

Sie haben die Veranstaltung besucht, aber einen oder mehrere Vorträge verpasst? Gern können Sie sie hier die Vorträge des Mitteldeutschen IT-Fachtages 2018 nachlesen.