Rund 180 Landräte, Bürgermeister, Amtsleiter und IT-Verantwortliche kamen zum nunmehr 5. Mitteldeutschen IT-Fachtag für Kommunen am 28. November 2019 nach Leipzig. Im Mittelpunkt standen aktuelle Themen rund um die digitale Verwaltung, insbesondere das Vorgehen bei der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG).
Um bürgerfreundliche digitale Leistungen anbieten zu können, müssen Verwaltungen bei deren Gestaltung die Bürgersicht einnehmen. Digitalisierung dürfe dabei nicht als die Lösung, sondern lediglich als ein Hilfsmittel angesehen werden, betonte Mischa Woitschek, Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (ssg) gleich zu Beginn des Fachtages. Er unterstrich die Bedeutung eines gemeinsamen Vorgehens der Kommunalverwaltungen, um großen und kleinen Kommunen gleichermaßen wirtschaftlich standardisierte, nachnutzbare Lösungen zur Verfügung stellen zu können.

OZG: Kooperation aller föderalen Ebenen erforderlich

Auch Dr. Ariane Berger, Referentin für E-Government und Verwaltungsorganisation beim deutschen Landkreistag, betrachtet Kooperation als unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung des OZG. Sie plädierte für ein bundesweites Betriebskonzept für Online-Services, in welches alle föderalen Ebenen arbeitsteilig und aufeinander abgestimmt ihre fachliche Expertise einbringen. Dr. Berger stellte ihre Vision einer „Modularen Austauscharchitektur“ vor, einer zentral betriebenen, förderalen Austauschplattform, auf welcher den Behörden nachnutzbare Micro-Services zur Verfügung stehen, und forderte eine Verbesserung der Information und Vernetzung der föderalen Akteure.
Hans-Henning Lühr, Vorsitzender des IT-Planungsrates und Staatsrat bei der Senatorin für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen, betonte, es sei wichtig, „den Schwung der Digitalisierung zu nutzen, um die kommunale Selbstverwaltung zukunftsfähig zu positionieren.“ Drei Viertel der klassischen Verwaltungsaufgaben lägen in der Verantwortung der Kommunen. Digitalisierung bedeute aber nicht, die Bürokratie zu elektronifizieren, sondern Prozesse zu schaffen, die Bürger und Wirtschaft als Nutzer in den Mittelpunkt stellen. Dies erfolge derzeit unter Einbeziehung aller Verwaltungsebenen in 14 Themenfeldern sowie für besonders wichtige Leistungen in Digitalisierungslaboren. Schlussendlich läge es aber in der Entscheidungshoheit jedes einzelnen Landes, ob es sich in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden an einem länderübergreifenden Umsetzungsprojekt beteiligt oder individuell implementiert.

Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen: OZG in den Ländern
Eine Plattform auf Landesebene gibt es seit Juni 2019 in Mecklenburg-Vorpommern (M-V). Über das MV-Serviceportal können Verwaltungen Leistungen weitgehend kostenfrei anbieten. Die Beantragung der Leistungen einschließlich aller Nachweise sei – rein technisch – grundsätzlich bereits heute vollständig online abbildbar, sagte Birgit Wulf, E-Government-Koordinatorin im „Büro kooperatives E-Government“ (BkE) in M-V. Es fehle jedoch an Erfahrungen, etwa bei der Übertragung der Leistungen in Webformulare oder dem Aufwand für die Implementierung von Leistungen in den Kommunen. Ein schnellerer und einfacherer Zugang zu den Ergebnissen aus den Digitalisierungslaboren des IT-Planungsrates sowie eine Intensivierung gemeinsamer Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen würden unterstützen.
Auch im Freistaat Sachsen gibt es mit Amt24 eine zentrale Plattform für Bürger und Wirtschaft. Erste Antragsprozesse können bereits online abgewickelt werden. Das Land setzt auf intensiven fachlichen Austausch im Rahmen von fünf, prozessual aufeinander aufbauenden OZG-Werkstätten. Kommunale Experten, Berater und Entwickler arbeiten darin agilen Methoden zusammen, um eine möglichst vielen Anforderungen gerecht werdende Lösung zu erhalten. Ziel ist es, für die sächsischen Kommunen nachnutzbare Online-Lösungen zu entwickeln. Seit 1. Juli 2019 fungiert die von IT-Dienstleistern des Landes und der Kommunen gegründete Komm24 als Bindeglied zwischen diesen beiden Ebenen.
Wer soll das betreiben?
Ein digitales Rathaus im 24/7-Betrieb: Eine schöne Vorstellung. Aber kann die Verwaltung einen solchen digitalen Rund-um-die-Uhr-Service überhaupt leisten? Dirk Meyer-Claassen, Referatsleiter IKT-Strategie von der Senatsverwaltung für Inneres in Berlin, warnt davor, bei Bürgern und Wirtschaft Erwartungen zu wecken, die die Kommunen nicht erfüllen können. Er führt dafür erforderliche Wartungsfenster für Systeme und Anwendungen als technische Hindernisse sowie fehlende vertragliche Grundlagen in personeller Hinsicht an. Die geltenden Tarifverträge in Verwaltungen seien für normale Bürozeiten ausgelegt, nicht aber für Wochenend- oder Schichtarbeit. Genau diese brauche es aber, wolle man Verwaltungsleistungen 24/7 anbieten. Zudem sei es schon heute schwierig, geeignetes Fachpersonal zu finden, gab er zu bedenken.


Ähnlich argumentiert auch Thomas Cibis, Sachgebietsleiter IT im Landkreis Zwickau. Jens Aasmann, Direktor vom Amt Rhinow, bringt auf den Punkt, worauf es den kleinen Kommunen IT-technisch ankommt: „Wir Kleinen haben die gleichen Aufgaben und Abhängigkeiten wie die Großen, aber personell keine Kapazitäten für IT. Am Ende wollen wir nur etwas, das funktioniert, und jemanden, den ich anrufen kann, um zu fragen, wie es weitergeht.“
Zukunftsradar: Digitalisierungsstau in den Kommunen
In Vorträgen und den Gesprächen am Rande des IT-Fachtages klingt eines immer wieder an: Die Mehrzahl der Kommunen wird die OZG-Fristen nicht halten können. Dies zeigt auch der Zukunftsradar „Digitale Kommune“, eine gemeinsame Umfrage vom Institut für Innovation und Technik (iit) und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund. Die Mehrheit der 538 befragten Kommunen betrachte den Mehrwert der Digitalisierung als hoch beziehungsweise sehr hoch, der eigene Arbeitsstand werde jedoch nur als „ausreichend“ bis „eher schlecht“ eingeschätzt. Lediglich in sieben Prozent der Kommunen werde aktuell eine individuelle Digitalisierungsstrategie umgesetzt. Großen Handlungsbedarf sehen die Kommunen im Breitbandausbau als Grundlage der Digitalisierung.

Interkommunale Zusammenarbeit als Erfolgsfaktor

Chancen sehen viele Kommunen laut Zukunftsradar in der Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit. Das Miteinander und das voneinander Lernen gehören zu den wichtigsten Anliegen des IT-Fachtages. Die Vorstellung erfolgreicher Herangehensweisen, zum Beispiel im Projekt- oder im Prozessmanagement, findet sich deshalb ebenso im Programm wie Berichte zu Best Practice-Projekten, etwa zum digitalen Rechnungsworkflow, einer Lösung für Bürgerpartizipation, Open Data oder einer Bürger-App für das tägliche Leben in einer kleinen Kommune.
Immer mehr Aufgaben sind keine „klassische IT“
„Im Zusammenhang mit der Verwaltungsdigitalisierung gibt es heute viele Aufgaben, die nicht mehr klassisch „nur“ IT sind. Vielfach wünscht man sich, auch ein Justitiar zu sein“, sagte Thomas Cibis vom Landkreis Zwickau im Rahmen der Veranstaltung. Zu diesen damit gemeinten Aufgaben gehören unter anderem Datenschutz, Informationssicherheit und digitale Souveränität sowie die sich im Zusammenhang mit Cloud-Computing ändernden Lizenzmodelle der Software-Anbieter. In interessanten Vorträgen und Diskussionen gaben kompetente Experten den Fachtagsteilnehmern spannende Ein- und Ausblicke.
Der nächste Mitteldeutsche IT-Fachtag für Kommunen findet hoffentlich im November 2022 statt.