Nach langer Corona-Pause endlich wieder in Präsenz: Der Mitteldeutsche IT-Fachtag für Kommunen 2022. 160 Vertreter/-innen von Kommunalverwaltungen und kommunalen IT-Dienstleistern, Unternehmen mit kommunalem Fokus und Bundesagenturen trafen sich am 1. Dezember in Leipzig, um sich über die Themen und Trends auszutauschen, die die Kommunalverwaltungen heute und morgen bewegen. Es ging unter anderem um Informationssicherheit, die elektronische Aktenführung, die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes, die Digitalisierung der Schulen und den allgegenwärtigen Personalmangel.

Die Mehrzahl der Referentinnen und Referenten kamen selbst aus Kommunalverwaltungen. Nahbar und offen berichteten sie über den Stand eigener Digitalisierungsprojekte – über kleine und große Erfolge, aber auch über Hürden und Hemmnisse. Dieses Miteinander auf Augenhöhe führte schnell zu angeregten und vor allem ehrlichen Diskussionen, die offenlegten, dass alle Kommunen vor ähnlichen Herausforderungen stehen und sich in dieser Situation von der Politik mitunter wenig verstanden fühlen – reichen doch vor allem die Ressourcen in kleineren Kommunen oft nicht aus, um sich neben den Hauptaufgaben von Verwaltungen auch der Digitalisierung zu widmen. Wir hoffen, dass die Teilnehmenden nicht nur viele Anregungen für sich mitnehmen konnten, sondern dass auch aus dem IT-Fachtag heraus interkommunale Kooperationen erwachsen, um für die herausfordernden Themen gemeinsame Synergieeffekte zu identifizieren und zu nutzen.

Mehr Gemeinschaft durch Digitalisierung

Tino Wagner, Leiter IT im Landkreis Weimarer Land begrüßte die Teilnehmenden im Mediencampus in Leipzig.

In Vertretung für Christiane Schmidt-Rose, Landrätin des Landkreises Weimarer Land, begrüßte Tino Wagner, Leiter IT des Landkreises, das Publikum. Er betonte, dass der Generationswechsel in den Verwaltungen, die erforderliche Nachwuchsgewinnung und auch die Zuwanderung wichtige Treiber für die Digitalisierung seien. Digitale Prozesse seien einfacher, strukturierter und standardisierter umzusetzen und könnten negative Effekte wie den allgegenwärtigen Personal teilweise auffangen. Ein wichtiger Faktor sei der gewinnbringende Erfahrungsaustausch zwischen Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. So führe die Digitalisierung und Umsetzung des OZG praktisch als „Nebenprodukt“ zu mehr Gemeinschaft und Kooperation in den jeweiligen Ämtern und Ländern.

Digitalisierung als demokratisches Instrument

Jens Graf, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg und Impulsredner des IT-Fachtages, betonte die Bedeutung von Digitalisierung für die Demokratie. Ergänzend zur Dezentralisierung von Machtstrukturen durch kommunale Selbstverwaltung fördere sie die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger in das kommunale Handeln. Schon allein deshalb lohne es sich, diese komplexe Herausforderung gemeinschaftlich anzunehmen – dafür aber bedürfe es dynamischer Gesetzesanpassungen. Der Bund müsse die Bedarfe und Prozesse der Kommunen und Länder besser im Blick haben.

Jens Graf, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg

Inanspruchnahme von Verwaltungsleistungen nach dem Once-Only-Prinzip

Michael Lipaczewski und Michael Häußer vom Bundesverwaltungsamt stellten ein Vorhaben des Bundes vor, das genau diesen Fokus setzt: die Registermodernisierung. Durch den Aufbau dezentraler Register will man den Aufwand bei der Beantragung von Verwaltungsleistungen für Bürger/-innen minimieren. Ziel ist ab 2025 die Umsetzung des Once-Only-Prinzips für Verwaltungsleistungen: Bürger/-innen müssten ihre Angaben für die Beantragung von Verwaltungsleistungen dann nur einmalig erfassen. Auch Behörden könnten – mit dem Einverständnis der betroffenen Person – auf die Informationen bzw. Nachweise zugreifen und damit Bearbeitungszeiten deutlich verringern. Kritisch wurde aus dem Publikum angemerkt, dass auch hier die Kommunen in der Umsetzungspflicht seien und damit Kosten und Aufwand schultern müssten – insbesondere für kleine Kommunen kein Leichtes.

Kleine Kommune mit Power: DMS-Einführung in Brand-Erbisdorf

Britta Brinster, Stadt Brand-Erbisdorf (l.), und Brigitta Weinert, Stadt Schkeuditz (r.), zeigten, dass auch kleine Kommunen viel erreichen können.

Dass aber kleinere Kommunen richtig viel schultern können, bewiesen Brigitta Weinert aus der nordsächsischen Stadt Schkeuditz und Britta Brinster, IT-Verantwortliche der erzgebirgischen Kleinstadt Brand-Erbisdorf. Mitreißend schilderte Brigitta Weinert, wie sich Schkeuditz nach der Devise „Think big, act small!“ an die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes gemacht hat. Statt sich von der Komplexität der Herausforderung einschüchtern zu lassen, setzt die Große Kreisstadt auf kommunale Zusammenarbeit und die Nachnutzung bereits vorhandener Angebote, etwa der Basiskomponenten oder der Onlineantragsassistenten (OAA) des Zweckverbandes KISA und der Komm24. Auf Basis der Fallzahlen entschied sich die Kommune für ein Pilotprojekt mit „kleinerem“ Aufwand: für die Einführung des OAA für Baumfällungen.

Trotz Fertigstellung in 2021 ging der Assistent erst 2022 produktiv. Learnings? Es sei wichtig, unbekannte Größen wie Personalabgänge, Erkrankungen oder beispielsweise auch „Sonderlocken“ im Satzungsrecht in Kritikalität einzubeziehen. In Schkeuditz wird nun eine „digitale Agenda“ formuliert, an der man sich orientieren will. Hilfreich sei aber immer, das betonte Brigitta Weinert ausdrücklich, dass das Vorhaben von Stadtspitze und Stadtrat mitgetragen werde. Das gebe Rückenwind. In einem Workshop zum Thema OZG schilderten Vertreter/-innen der Stadtverwaltung Gera und dem Landkreis Elbe-Elster ihr Vorgehen bei der Umsetzung des Gesetzes.

Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes: Gemeinschaft bringt Rückenwind

Um die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems (DMS) ging es im Vortrag von Brigitta Brinster aus Brand-Erbisdorf. Mit viel Humor berichtete sie von den Vorbereitungen für dessen Einführung und mit welchen Hindernissen man zu kämpfen habe – seien sie nun technischer oder organisatorischer Natur. Man müsse die Vorteile der digitalen Arbeitsweise herausarbeiten, um die Mitarbeitenden für die Veränderung einzunehmen, das nötige Quentchen Gelassenheit haben, wenn der Stadtrat die knappen Gelder doch in andere Projekte investieren möchte, und ein wenig Pragmatismus beweisen: Lohnt sich der Aufwand der Digitalisierung für Antragsverfahren mit sehr geringen Fallzahlen? Wichtig seien zudem strukturierte Vorarbeiten.

Wie diese Vorarbeiten ganz praktisch aussehen, verdeutlichte Tino Wagner, Leiter IT im Landratsamt Weimarer Land – von der Standardisierung der internen Kommunikationswege bis hin zur sukzessiven Einführung des DMS zunächst in den Ämtern ohne Fachverfahren. Auch Wagner betonte, wie wichtig es sei, dass die Veränderungen von der Führung mitgetragen werden, das Projektteam zentral agiert und breit aufgestellt ist.

Erfolgreich: Einführung der elektronischen Akte in der Stadt Leipzig

Ein zentrales Projektteam gibt es auch in der Stadtverwaltung. Seit 2011 gab es verschiedene Ämterprojekte zur E-Akte in der Verwaltung mit ihren etwa 6.000 PC-Arbeitsplätzen. Diese blieben jedoch Insellösungen. 2018 deshalb der Strategiewechsel hin zu einer E-Akte-Plattform für alle Ämter. Bis 2024 soll das Projekt flächendeckend in der gesamten Verwaltung abgeschlossen sein, berichteten IT-Projektkoordinatorin Carola Arnold und Abteilungsleiter IT-Koordination Christian Burkert. Sukzessive werden die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen – von der Anbindung der Fachverfahren über das zentrale Scannen des Posteingangs bis hin zur Etablierung einheitlicher Arbeitsweise in der allgemeinen Aktenführung. Das erfolgreiche Leipziger Vorgehen wurde vom Publikum nicht nur mit zahlreichen Rückfragen, sondern tatsächlich auch mit Applaus quittiert.

IT-Projektkoordinatorin Carola Arnold (l.) präsentierte gemeinsam mit Christian Burkert, Leiter IT-Koordination (nicht im Bild), das Leipziger Vorgehen bei der Einführung der E-Akte.

Awareness: Nachholbedarf in den Verwaltungen

Ein großes Thema im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Verwaltungen ist die Informationssicherheit. Kommunen geraten zunehmend ins Visier der Cyberkriminellen. Martin Kähl, Cybercrime-Ermittler beim Landeskriminalamt Thüringen, skizzierte aktuelle Trends und Gefahren. Derzeit etabliere sich gerade „Cybercrime as a Service“: Kriminelle könnten sich im Darknet Schadsoftware für ihre Angriffe kaufen.

Welchen Schaden diese Angriffe anrichten können – auch in Verwaltungen, konnten wir in 2022 alle in den Medien verfolgen. Ganz nah dran an den Folgen eines solchen Angriffs ist Sabine Griebsch, externer Chief Digital Officer des Landkreises Anhalt-Bitterfeld. Seit 2020 bearbeitet sie den Sicherheitsvorfall, in dessen Folge aufgrund eines mehrstufigen Angriffs mit Ransomware die Verwaltung über lange Zeit nicht arbeitsfähig war. Anschaulich berichtete sie, welche technischen und organisatorischen Maßnahmen getroffen wurden und noch immer werden. Sie mahnte ein achtsameres Vorgehen in Bezug auf Informationssicherheit an: Verwaltungen hätten in puncto Awareness noch viel aufzuarbeiten. „Es ist keine Frage, ob man mal dran ist, angegriffen zu werden, sondern wann es passiert,“ sagte Sabine Griebsch.

Welche Mindestanforderungen Verwaltungen für eine ganzheitliche Informationssicherheit erfüllen müssen, ist in der neuen IT-Sicherheitsverordnung für Kommunen festgehalten. Franz Stockmann vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) stellte die vom Bundesinnenministerium zu Jahresbeginn 2022 erlassene Verordnung vor und sicherte den Kommunalverwaltungen die Unterstützung des BSI zu. Stockmann betonte, dass der Freistaat Sachsen in der Umsetzung dieser Anforderungen bereits auf einem sehr guten Weg sei – gemessen am bundesweiten Stand.

Digitale Schule: Drei Herangehensweisen an zukunftsorientiertes Lernen

Mirko Schiller, Informatiklehrer am Gymnasium Markneukirchen, treibt mit viel persönlichen Engagement die Digitalisierung „seiner“ Schule voran.

Ein weiterer großer Themenkomplex war die Digitalisierung von Schulen. In drei Vorträgen skizzierten Verantwortliche ihre recht unterschiedlichen Herangehensweisen. Mirko Schiller etwa ist als Informatiklehrer am Gymnasium Markneukirchen Einzelkämpfer. Er setzt sich mit bewundernswertem Nachdruck und Weitblick seit 2018 auf Basis eines selbst erarbeiteten Konzepts intensiv für die Digitalisierung „seiner“ Schule ein.  Er hat – auch mit den Mitteln aus dem Digitalpakt Schule – schon vieles erreichen können. So arbeiten die Klassenstufen 8 und 9 komplett mit Tablets. Er warnt davor, den Digitalisierungsprozess in den Schulen nach der Ausstattung zum digitalen Tafeln als abgeschlossen zu betrachten. Digitalisierung gelinge nur ganzheitlich und das schließe Hard- und Software, deren Wartung und auch die Schulung der nutzenden Personen ein. Dies sei ein fortlaufender Prozess.

Anders die Herangehensweisen in den Landkreisen Harz und Mecklenburgische Seenplatte. In beiden Landkreisen geht man schulübergreifend und dennoch unterschiedlich vor. Im Landkreis Harz setzen die Verantwortlichen mit der LINUX-basierten Schulplattform PUAVO auf herstellerunabhängige OpenSource-Lösungen und mit gebrauchten Endgeräten für Schüler/-innen und Lehrkräfte auf Nachhaltigkeit für die IT-Ausstattung in den 36 zum Landkreis gehörenden Schulen. Der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte vertraut auf Standardisierung und möchte die aktuellen Schulserverlösungen durch ein zentrales Schul-Dienste-Management (SDM) ersetzen. Darüber sollen nicht nur Rechte und Apps verwaltet oder Dienste bereitgestellt werden, sondern auch Schnittstellen zur Schulverwaltungssoftware sowie virtuelle Arbeitsplätze für Lehrkräfte, damit sensible Schülerdaten zentral und sicher abgelegt werden könnten. Betrieben wird das SDM von einem kommunalen IT-Dienstleister.

Personalmangel in den Verwaltungen. Was nun?

Oft wird die Digitalisierung als ein Mittel im Umgang mit dem demografischen Wandel und dem allseits beklagten Personal- und Fachkräftemangel genannt. Aber ist sie das wirklich? Ute Kabitzsch von der Stadt Grimma, Thorsten Weiß aus der Stadt Altenburg und Alexander Engel vom Landkreis Mecklenburgische Seenplatte diskutierten mit dem Personalmangel ein Thema, das neben der Wirtschaft auch die Verwaltungen umtreibt. Zehn Prozent der Stellen in der Stadtverwaltung Grimma seien derzeit unbesetzt, sagt Ute Kabitzsch. In Altenburg sähe es nicht anders aus, weiß Thorsten Weiß und Alexander Engel ergänzt, dass in seinem Landkreis bis 2023 50 Prozent der Belegschaft wegen Überalterung wegfallen werde.

Treiber seien die Verrentung der sogenannten Babyboomer, neue Formen der Kommunikation, vor dem Hintergrund der Inflation die höheren Löhne in der Privatwirtschaft und ein Wertewandel in den Generationen. Man wolle nicht mehr lebenslang in einem Unternehmen an einem Ort arbeiten. Die Personalentwicklung müsse sich dementsprechend neu aufstellen, kreativ werden – etwa auch Hobbies und „versteckte“ Interessen der Mitarbeitenden berücksichtigen – und definitiv offen für mobiles Arbeiten sein. Kommunen stünden im Kampf um die Arbeitskräfte auch immer mehr in Konkurrenz zueinander. Alexander Engel bezeichnet die Digitalisierung als „eine Art der Selbstverteidigung der Kommunen und Ämter gegen Personalmangel“. Aufgaben in den Ämtern müssten digitalisiert, Prozesse verschlankt und skalierbar entwickelt werden – lösen könne sie das Problem jedoch nicht, nur abmindern.

Lockerte den IT-Fachtag mit einem Beitrag zur Bedeutung neuronaler Netzwerke auf und sorgte für reichlich Kommunikation unter den Gästen: Diplompsychologin Dr. Milena Hauptmann aus Leipzig

Schnell entwickelte sich ein reger Austausch zwischen den drei Referent/-innen und dem Publikum, das die Erfahrungen der Referierenden teilt. Schnell wurde deutlich: Es gebe nicht die eine Lösung gegen den Personalmangel, da jede Kommune, jede Region und die Aufgaben der Ämter sowie deren Größe zu unterschiedlich sind. Wichtig sei, sich adaptiv auf die Situationen und Bedarfe einzulassen. Moderne Arbeitsbedingungen spielten dabei eine wichtige Rolle.

Risiken der Digitalisierung: Überrollt uns die Komplexität?

Als roter Faden zog sich die Digitalisierung durch den IT-Fachtag. Während sie Abläufe vereinfachen soll, werden die Infrastrukturen immer komplexer und damit anfälliger. Tarek Unger von der Landeshauptstadt Erfurt stellte deshalb die provokante Frage, ob uns diese Komplexität nicht überrollt. Gehen wir die Digitalisierung richtig an? Verstehen wir sie richtig? Alle Akteure – also Bürger/-innen und Wirtschaft, Politik, Mitarbeitende und Führungskräfte in der Verwaltung, Informationssicherheitsbeauftragte, Unternehmen in ihrer Rolle als Lieferanten – hätten völlig differierende Vorstellungen davon, was Digitalisierung bedeute.

Die daraus resultierende, unklare Zieldefinition in Kombination mit weiteren kommunalen Rahmenbedingungen führe unvermeidlich zu einer Stagnation der Digitalisierung. Es sei unmöglich, die Ziele aller Beteiligten gleichermaßen zu erfüllen. Eine zu hohe Anforderungsdichte verhindere Standardisierung und führe so zu einer Komplexität, die Systeme instabil mache und Veränderungen verhindere: Ein Vortrag, der provozieren und Denkanstöße liefern soll, für eine Diskussion, die uns in den nächsten Jahren begleiten wird. Vielleicht setzen wir sie auf dem IT-Fachtag 2023 fort?

Tarek Unger, Sachgebietsleiter DV-Organisation in der Stadtverwaltung Erfurt, stellte die provokante Frage, ob uns die Komplexität der Digitalisierung überrollt.

Wir freuen uns auf diesen nächsten IT-Fachtag im November 2023! Sind Sie wieder mit dabei?

Impressionen vom Mitteldeutschen IT-Fachtag 2022